Joseph Wasswa - Wir sind die kleinen Entchen

13. Mai 2020

Heute stellen wir euch Joseph Wasswa vor, den manche von euch vielleicht schon aus der Sing- und Musikschule kennen, wo er seit 2014 Singen und Rhythmusvermittlung unterrichtet. Joseph Wasswa stammt aus Uganda, lebt aber seit 2007 in Regensburg und pendelt seither zwischen zwei sehr unterschiedlichen Kulturen hin und her. Er ist Kirchenmusiker und Kulturwissenschaftler und erhielt 2016 den Kulturförderpreis der Stadt Regensburg für sein Engagement bei unterschiedlichen Projekten, mit denen er Menschen aus ganz unterschiedlichen Welten zusammenbringen möchte.

Joseph Wasswa hat für Cantemus-TV ein Video produziert, in dem er uns ein ostafrikanisches Kinderlied vorstellt und uns damit gleich einen unmittelbaren Eindruck seiner Heimat-Kultur vermittelt.

Im folgenden Interview haben wir nochmal genauer nachgefragt und viele spannende Antworten bekommen. 

Cantemus-TV: Wie kam es, dass Sie das Lied „Wir sind die kleinen Entchen“ für Cantemus-TV ausgesucht haben? Was verbinden Sie selbst mit diesem Lied?

Joseph Wasswa: „Charity begins at home“ ist ein Spruch, der im ostafrikanischen Land Uganda verbreitet ist. Gemeint ist damit, dass ugandische Eltern oft viel Zeit mit ihren Kindern verbringen.  Sie singen, spielen und lesen Märchen für ihre Kinder vor. Bei diesem bekannten ugandischen Lied lernten wir unter anderem das Zählen gemeinsam mit meinen Geschwistern und Nachbarskindern. Während der gerade bestehenden Corona-Krise und die damit unberechenbaren Unwägbarkeiten, müssen viele Schüler zuhause bleiben und mit ihren Eltern zwangsläufig viel Zeit verbringen. Die aktuelle Zwangspause durch die Krise erinnert mich an die ugandischen Ferienzeiten, in der man meistens viel Zeit hat und unter anderem schulrelevante Lieder spielerisch mit Eltern singt. Das war für uns die beste Zeit, die man später im Erwachsenalter nicht mehr hatte. Deutsche Kinder können sich mit dem für Cantemus-TV ausgesuchten Lied beschäftigen. Somit werden sie auf eine musikalische Art eine neue ostafrikanische Sprache lernen, sowie das Zählen. Das wird auch das Gemeinschaftsgefühl mehr stärken. 

Cantemus-TV: Was liegt Ihnen bei der Arbeit mit Kindern besonders am Herzen? Was möchten Sie Kindern und Jugendlichen vermitteln?

Joseph Wasswa: Kinder haben das Recht zu wissen, dass sie die Zukunft dieser Welt sind. Sie sollen dieses „Geheimnis“ frühzeitig erkennen, um das Beste aus ihrem Leben daraus zu machen. Denn, die Zeit vergeht wie im Flug und oft schneller als in der Realität.

Cantemus-TV: Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Deutschland von der in Uganda?

Joseph Wasswa: Lehrer werden in Uganda wie Könige geehrt. Die Kinder wollen alles lernen so viel wie sie können. Das macht echt Spaß. Manchmal hat man das Gefühl, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht wissen, wozu man in die Schule gehen muss. Die Eltern haben noch einen wichtigen Beitrag diesbezüglich zu leisten.

Cantemus-TV: Welche Rolle hat Musik in Ihrer Kindheit in Uganda gespielt und in welcher Form haben sie Musik vielleicht in ihrer Familie oder in der Schule kennengelernt?

Joseph Wasswa: Mein Vater war Kirchenmusiker. Daher sangen wir fast jeden Tag Zuhause. In der Schule hatten wir jedes Jahr einen Musik-Wettbewerb zwischen Schulen. Wir trainierten immer sehr intensiv und wollten immer die besten sein. Das klappte nicht immer, wenn alle Schulen sich ebenfalls um die gleichen Trophäen bemühten. Ich durfte schon im Alter von sechs Jahren bei den Wettbewerben trommeln. Das war eine der schönsten Zeiten meiner Schullaufbahn. Ich wünsche mir, dass so ein Sing-Wettbewerb zwischen Regensburger Schulen ermöglicht wird. Die Besonderheit liegt unter anderem an dem Austausch zwischen Kindern sowie in der Entfaltung der Musikalität, des Wissens und der Förderung des Selbstbewusstseins im frühen Alter. Das waren Zeiten!

Cantemus-TV: Sie sind ja in einer musikalischen Familie mit neun Geschwistern aufgewachsen. Sind Sie das einzige Kind in Ihrer Familie, das auch Musik zum Beruf gemacht hat? Und was hat Sie in diesen Wunsch bestärkt?

Joseph Wasswa: Ich bin tatsächlich der Einzige. Allerdings tanzen meine Schwestern besser als ich. Ich dachte dadurch, dass sie auch bessere Musikerinnen wären als ich. Eine jüngere Schwester, die zunächst BWL studierte, spielt, lernt und lehrt Klarinette an der Musikschule in Masaka. Ich habe allerdings einige Musikpreise gewonnen und durfte mit staatlicher Förderung ostafrikanischen Ländern bereisen. Dadurch entdeckte ich die Möglichkeiten, die in der Musik stecken. Dann wollte ich immer Profimusiker werden.

Cantemus-TV: Wie kam es, dass Sie zum Studium ausgerechnet nach Regensburg gekommen sind und welches waren damals die größten Herausforderungen?

Joseph Wasswas: Mein größter Wunsch war es, entweder in die USA oder nach Südafrika zur Fortsetzung meines in Uganda abgeschlossenen Musikstudiums zu gehen, um vor allem das Klavierspiel und Chorleitung zu vertiefen. Dann wurde mir ein Stipendium für Deutschland zugesprochen. Somit hatte ich auf die Schnelle keine andere Wahl. Ich bin trotzdem sehr glücklich, hier sein zu dürfen. Deutschland war mir kein bekanntes Land und wegen der Sprache hatte ich anfangs durchaus einige Herausforderungen, vor allem in Bayern. Aber die Musik hat mir geholfen, auch diese Hürde leichter zu meistern.  

Cantemus-TV: Sie haben in Ihrer Heimatstadt Masaka in Uganda erst vor wenigen Jahren die International School of Music, Languages and Studio Production (IMLS) gegründet und aufgebaut. 
Was war Ihr Motor zu dieser Idee und welche Zukunftsvision haben Sie für die Schule?

Joseph Wasswa: Wir wissen alle, dass Bildung die stärkste Waffe ist, die man im Leben braucht, um die Welt zu verändern. In meiner Heimatstadt Masaka gab es bisher keine Musikschule. Alle, die ein Instrument lernen wollen, müssen entweder in die Hauptstadt gehen oder ein Knabenseminar in der Nähe Masakas besuchen. Das können sich leider nur die Reichen leisten. Da die meisten Kinder Ugandas sehr talentiert sind und meistens keine Perspektiven haben, wollte ich ihnen durch die Gründung der Schule eine günstige oder kostenlose Möglichkeit bieten, in der sie ihre Talente entfalten können. Die Schule operiert seit 2016 und ermöglicht besonders benachteiligten talentierten Kindern zukünftige Berufschancen, einen erweiterten Blick auf das Leben und wahrscheinlich einen gesellschaftlichen Aufstieg. 

Cantemus-TV: Wie sieht dort jetzt ganz aktuell die Situation aus: wie finden Kinder eigentlich den Weg in diese Schule, wie viele Kinder werden unterrichtet und welche Instrumente erlernen sie?

Joseph Wasswa: Im sogenannten Outreach-Programm unterrichten die Lehrer der IMLS in allgemeinbildenden Schulen und bieten dort Musikunterricht an. Weitere Kinder besuchen die Musikschule täglich. Die Schule hat aktuell 943 Schüler mit 20 ugandischen Lehrern und Freiwilligen aus Deutschland. Es werden inzwischen recht viele Instrumente unterrichtet: Unter anderem lernen die Schüler Klavier, Saxophon, Trompete, Geige, Querflöte, Klarinette, Schlagzeug, African Dance und Trommeln, Gitarre, Cello, Musiktheorie, Gesang, um einige zu nennen.  Auf der neuen Homepage der Schule kann man sich über das breitgefächerte Angebot der IMLS informieren (www.imls-uganda.org).

Cantemus-TV: Ist die Schule derzeit Corona-bedingt auch geschlossen und was bedeutet das für die Kinder?

Joseph Wasswa: Die IMLS ist leider geschlossen. Da man in Uganda keine Arbeitslosenversicherung hat, ist die Lage zurzeit nicht amüsant. Die Menschen sterben mehr an Hunger als an Corona selbst. Von Corona ist Uganda bisher kaum betroffen, obwohl sehr strenge einschränkende Maßnahmen für das ganze Land verhängt wurden. Die Menschen sind über die aktuelle Lage sehr traurig. Sie wollen arbeiten und die Schüler wollen wieder in die Schule. 

Cantemus-TV: Sie haben selbst eine kleine Tochter - ist die auch schon musikbegeistert (und wie zeigt sich das)?

Joseph Wasswa: Immer wenn ich Klavier spiele oder allein tanze, will sie unbedingt mitmachen. Es ist echt lustig! 

Cantemus-TV: Was lieben Sie an Ihren vielfältigen Tätigkeiten, Projekten und Aufgaben am meisten?
Joseph Wasswa: Das Organisieren, die Arbeit mit Kindern und die Begegnungen mit netten Menschen, die diese Projekte gerne unterstützen. 

Cantemus-TV: Haben Sie eigentlich auch Interessen oder Hobbies, die gar nichts mit Musik zu tun haben?

Joseph Wasswa: Ich wollte früher Fußball-Profi werden. Das war in Uganda leider nicht möglich. Das mache ich in meiner freien Zeit. Mit der Musik ist allerdings ein weiterer Traum wahrgeworden. 

Vielen herzlichen Dank, dass Sie sich so viel Zeit für unsere Fragen genommen haben!

Und jetzt freuen wir uns sehr auf Ihr Video...
 

Ffe tuli Embaat'ento (Wir sind die kleinen Entchen) - Josef Wasswa