Wozu gibt es eigentlich traurige Lieder?
17. April 2020
Wozu gibt es eigentlich traurige Lieder?
Für die kleinen Ärgernisse, die einen immer wieder traurig stimmen, genügt oft ein fröhliches Lied, das man vor sich hinsummt.
Was aber ist mit der tiefen Trauer, die einen überfällt, wenn man z.B. einen guten Freund für immer verliert oder ein lieber Mensch gestorben ist?
Es wäre falsch, sich zu verstellen und so zu tun, als sei man fröhlich und gut gelaunt!
Wo sich doch das Herz so schwer anfühlt.
Tiefe Trauer verdunkelt unser Herz. Ein dunkler Nebel füllt es aus.
Doch nach einiger Zeit strahlt ein helles, starkes Licht auf unsere Trauer. Hell, gleißend, streng und auch sehr unbarmherzig.
Es ist das Licht der Veränderung.
Die Traurigkeit erschrickt und flüchtet sich in eine tiefe, dunkle Höhle.
Sie hat Angst und verkriecht sich in den hintersten Winkel, weit weg vom Ausgang. Dort kann sie das Licht nicht erreichen. Dort ist es feucht, kalt - und einsam.
Draußen vor der Höhle wirkt alles aufgeräumt. Alle denken, die Trauer ist verschwunden.
Aber sie ist noch da. Verborgen, versteckt, hilflos und voller Angst. Niemand kann sie sehen, aber das Herz weiß es besser: Sie lebt, sie atmet, sie zittert.
Doch wie kann man ihr helfen?
Jetzt sind Menschen wichtig, auf die man sich verlassen kann. Die Familie, gute Freunde, Menschen, die helfen können. Aber keiner von ihnen kann einfach so ins Herz hineinspazieren, die Trauer an der Hand nach draußen führen und sagen: „So, jetzt ist alles gut!“
Das geht nicht.
Was kann man tun?
Man kann einen Boten schicken: Das ist der Trost.
Wenn das Licht der Veränderung am Abend untergeht, und die letzten Strahlen im Abendrot verglühen, betritt der Trost leise und behutsam die Höhle, in der die Traurigkeit verborgen ist. Sie erschrickt. Der Trost weiß das und setzt sich - weit weg von ihr - gleich neben dem Eingang. Er wartet.
Es folgt ein langes Schweigen. Stille.
Irgendwann beginnt der Trost ganz leise zu summen. Eine sanfte, ruhige Melodie. Es ist ein trauriges Lied.
Er beginnt zu singen, Strophe für Strophe.
Die Traurigkeit lauscht.
Sie wagt kaum zu atmen, um ja kein Wort, keinen Ton zu verpassen.
Denn dieses Lied spricht von ihr. Dieses Lied versteht sie. In diesem Lied erklingt, was sie selbst nicht aussprechen kann. Es ist ihr Lied, für sie erfunden, für sie gesungen.
Durch dieses Lied hat sich in der Traurigkeit etwas verändert.
Sie spürt etwas Neues. Sie spürt Hoffnung. Und sie gewinnt Vertrauen zum Trost, der ihr diese Hoffnung gebracht hat.
Als der Trost das Lied zu Ende gesungen hatte, stand er auf und sprach zur Trauer:
„Komm mit mir, ich führe Dich in den Wald der Erinnerung. Dort wirst Du Deine Angst verlieren.“
Aber die Trauer zögerte, sie fürchtete sich vor dem grellen Licht der Veränderung.
Da sprach der Trost: „Es ist Nacht, das Licht kehrt erst morgen zurück. Im Wald der Erinnerung wird es Dich nicht quälen.“
Die Trauer folgte nun dem Trost. Draußen war es dunkel, nur die Sterne der Hoffnung schimmerten und zeigten ihnen den Weg.
Sie erreichten den Wald.
Uralte, mächtige Baumkronen bildeten ein gewaltiges Dach aus Ästen, Blättern und Zweigen. Diese boten ihnen Schutz. Sie warteten, sie schwiegen - und in das verwundete Herz ergossen sich Ruhe, Versöhnung und Geduld.
Plötzlich streiften die ersten Strahlen des Morgens die Wipfel der Baumkronen und die Trauer erschrak. Sie wollte davonlaufen und sich verstecken.
Da nahm der Trost sie bei der Hand, beruhigte sie und sprach: „In diesem Wald ist das Licht sanft, weich und heilend. Lass Dich von den Strahlen erwärmen. Gehe ihnen entgegen und habe Vertrauen.“
Da fasste die Trauer Mut und stellte sich dem Licht entgegen, welches sich ihr Stück für Stück näherte. Und nun, vom Licht erspürt und gestreichelt, geschah etwas Außergewöhnliches.
Der dunkle Nebel, der die Trauer umgab, löste sich und wurde von den Sonnenstrahlen empor gehoben. Über den Bäumen verwandelte er sich in eine helle, strahlende Wolke.
Nach kurzer Zeit ergossen sich aus der leuchtenden Wolke goldene Strömen nichtvergossener Tränen. Sie benetzen die Blätter und tränkten den Wald. Die Angst verwandelte sich in den Gesang aus tausend Vogelnestern, aber die Trauer war verschwunden.
Dort, wo sie zuletzt stand, blühte ein Meer aus Blumen der Hoffnung
(Text von Matthias Schlier)
Wozu gibt es eigentlich traurige Lieder?
Schließ ganz fest deine Augen
17. April 2020
Der traurige aber auch unterstützende Song kam bei uns beim Dschungelbuch und bei Ronja Räubertochter zum Einsatz und wurde von euch eingesungen von Matthias und Uli.